“Be the change you wish to see in the world!” M.K. Gandhi
Am 2. Oktober ist in Indien einer von drei festgelegten National-Feiertagen und zwar Gandhi Jayanti, das heisst wir feiern den Geburtstag von Mahatma Gandhi.
Gandhi ist sicherlich einer der bekannteste Inder und fast jeder hat schon mal von ihm gehört und weiss dass er Indien in die Unabhängigkeit geführt hat.
Aber wer war nun Mahatma Gandhi und welche Rolle in der Geschichte Indiens hat er wirklich gespielt?
Zu erst einmal zu seinem Namen. Mahatma heisst “Grosse Seele” und ist ein Ehrenname der Gandhi von seinen Anhängern verliehen bekommen hat.
Sein richtiger Name war Mohandas Karamchand Gandhi.
Gandhi wurde 1869 in der kleinen Stadt Porbandar in Gujerat in eine relativ wohlhabende Baniya Familie geboren. Sein Vater war Premier Minister des Staates Porbandar, einen der vielen kleinen de-fakto unabhängigen Kleinstaaten die neben dem Britischen Indiena existierten.
Gandhi wurde als Jüngstes von vier Kindern geboren und wuchs in einer Grossfamilie auf. Seine Kindheit ist geprägt vom Vishnuismus, einer eher monotheistischen Strömung des Hinduismus aber auch von der strikten Gewaltlosigkeit der Jains, einer weitverbreiteten Religion in Gujerat.
Bereits im Alter von sieben Jahren wurde Gandhi mit der gleichaltrigen Kasturba Makthaji verlobt. Als er 13 Jahre alt war, heirateten die Beiden. Kinderheirat war damals in Indien durchaus üblich, auch wenn Gandhi später diese in seinen Schriften stark kritisierte.
1888 reiste Gandhi zum Jura-Studium nach London. Er war der erste Angehörige seiner Kaste der ins Ausland reiste und die Kastenversammlung entzog ihm dann auch prompt seine Kastenzugehörigkeit, da es für konservative Hindus Sünde war, das “schwarze Wasser” (den Ozean) zu überqueren.
In London trat Gandhi der Vegetarischen Gesellschaft bei und kam in Kontakt mit der Theosophical Society. Generell wurde sein Interesse an Religion erweckt und er beschäftigte sich intensiv mit dem Christentum aber auch mit indischen Schriften, dem Islam und anderen Religionen.
1891 kehrte er nach bestandener Abschlussprüfung zurück nach Indien. Als Barrister durfte er nun überall dort als Anwalt arbeiten wo das britische Recht galt.
In Indien erfuhr er dass ein Jahr vorher nach seinem Vater, nun auch seine Mutter gestorben war. Er war nun verantwortlich für seine Familie.
Nach einigen erfolglosen Versuchen in Indien als Anwalt Fuß zu fassen, ging er 1893 nach Südafrika um einem Familienfreund zu helfen einen Rechtsstreit zu lösen. Sein erster Fall dort war überaus erfolgreich und so entschied er sich in Südafrika zu bleiben und dort als Rechtsanwalt zu arbeiten.
Sehr bald lernte er das Problem der Rassendiskriminierung in Südafrika kennen und beschloss sich für seine Landsleute (Südafrika hatte damals schon eine grosse indische Bevölkerung) und ihre Rechte einzusetzen Er setzte sich jedoch ausschliesslich für die indisch-stämmige Bevölkerung Südafrikas ein, nicht für die Schwarzen.
1894 gründete Gandhi den Natal Indian Congress nach dem Vorbild des 1885 gegründeten Indian National Congress. Dieser wurde eine wichtige Intressenvertretung der indischen Minderheit und verbesserte auch deren Kooperation über Kasten- und Religionsgrenzen hinweg.
Im selben Jahr wurde Gandhi als erster indischer Rechtsanwalt in Natal zugelassen. Er vertrat nun indische Kaufläute aber auch Kulis (indische Lohnarbeiter der Indentur, die sich für eine gewisse Zeit zur Arbeit auf Plantagen oder in Unternehmen verpflichtet hatten und dort quasi wie Sklaven lebten und arbeiteten). Er setzte sich für deren Interessen ein und erlangte dadurch eine grosse Popularität auch unter den einfachen Menschen.
Gandhi began auch mit dem Schreiben und Veröffentlichen von Artikeln und Schriften und zog sich so den Zorn der weissen Bevölkerung Südafrikas, aber auch das Interesse der Presse in England und Indien zu. Immer wieder kämpfte er gegen rassistische Gesetze und entwickelte eine Form des gewaltlosen Widerstandes, die er Satyagraha (Festhalten an der Wahrheit) nannte und für die er später weltberühmt werden sollte.
Satyagraha bedeutete organisierten und geordneten gewaltlosen Widerstand gegen Ungerechtigkeit. Gewalt war für Gandhi ein Angriff auf die Wahrheit, eine Sichtweise die tiefe Wurzeln in der hinduistischen Tradition hat. Gewalt gegen Gewalt anzuwenden hiess für Gandhi Böses mit Bösem zu bekämpfen und damit dem Bösen Tür und Tor zu öffnen. Seiner Meinung nach konnte man das Böse nur mit Gutem bekämpfen und mit überlegener Moral, nicht mit überlegener Stärke.
Während des Burenkrieges, arbeitete er im Sanitätsdienst und unterstützte die Briten, wofür er später eine Medallie erhielt.
Gandhi wollte dass Inder als gleichberechtigte Bürger in Südafrika akzeptiert und nicht länger diskriminiert wurden. Er stellte die britische Herrschaft nicht per se in Frage sondern war immer noch überzeugt dass das Britische Empire eine erhaltenswerte Institution war, die Stabilität und Ordnung in den Kolonien garantierte. Diese Sichtweise änderte sich erst später als er zurück in Indien war.
Gleichzeitig stand er in Kontakt mit indischen Politikern des Indischen National Kongress die für Selbstverwaltung Indiens und schliesslich für dessen Unabhänigkeit eintraten.
1914 reiste Gandhi zurück nach England und trat als Freiwilliger im Santitätskorps in den Ersten Weltkrieg ein. Das Klima in Europa behagte ihm jedoch nicht und 1915 kehrte er nach Indien zurück, um dort ein Jahr lang durchs Land zu reisen und die Menschen und deren Lebenssituation kennen zu lernen. Während dieser Reisen änderte er seine Meinung über die Britische Herrschaft über Indien und er wurde zu einem glühenden Verfechter der indischen Selbstbestimmung, dem Swaraj (Unabhängigkeit).
Im gleichen Jahr gründete er in der Nähe von Ahmedabad einen Ashram, der Basis für sein politisches Wirken in Indien werden sollte. Von Anfang an waren sogenannte “Unberührbare” (Menschen die ausserhalb des Kastenwesens standen und die deshalb als schmutzig und rituell unrein galten), die er Harijans oder Kinder Gottes taufte, willkommen, was ihn in den Augen vieler Hindus diskreditierte.
Gandhi liess sich davon nicht aufhalten und began seinen Kreuzzug gegen die Verwestlichung Indiens und für die Wiederbelebung alter indischer Werte. Er gründete Zeitungen auf Englisch und Gujerati und etablierte sich als Kämpfer für die Unterpriviligierten und Ausgeschlossenen der Gesellschaft.
Er lehnte nun die britische Herrschaft über Indien ab genauso wie die englische Sprache, das englische Bildungssystem und generell die Moderne die wie er fand, den Menschen korrupierte und ihn gierig und unmoralisch werden lies.
Rodrick Matthews der “Jinnah vs. Gandhi” geschrieben hat, nannte ihn einen konservativen Revolutionär. Gandhi wollte einen radikalen Umsturz des Systems, aber er wollte zurück zu den Traditionen des Hinduismus und eine Abkehr von der Moderne. Aus seinen Schriften wissen wir, dass Gandhi eine Art dörfliche Basisdemokratie und Subsiditätswirtschaft für die Zeit nach der Unabhängikeit anstrebte, auch wenn er sich öffentlich kaum dazu äusserte und immer darauf bestand dass die Briten erst Indien verlassen sollten, bevor man darüber nachdenken konnte wie der zukünftige selbstständige Staat aussehen würde. Seine Zukunftsvision war jedoch in jedem Fall pastoral und archaisch und er lehnte alles Westliche wie Industrialisierung, modern Bildung, modern Gerichtbarkeit, etc. ab. Traditionelle Werte, Langsamkeit, das einfache dörfliche Leben, Ablehnung von Materialismus und Spiritualität waren die Fundamente von Gandhis Lehre und Weltanschauung.
Gandhi glaubte ausserdem dass das Konzept der Gewaltlosigkeit der Schlüssel zur moralischen Grösse und Überlegenheit war. Durch den gewaltlosen Widerstand gegen die Briten, würden die Inder auch ihre eigenen moralischen Schwächen und niederen Instinkte wie Alkohol, Korruption, Gier und Begierde besiegen können.
Wie auch in Südafrika engagierte er sich gegen lokale Ungerechtigkeiten wie 1917 in Champaran im Kampf der Kleinbauern gegen die Indigo Interessen der Grossunternehmer oder in Ahmedabad im Streik der Textilarbeiter. Mehrfach gelang es ihm die Proteste erfolgreich zu Ende zu bringen und Konzessionen zu erzwingen. So erwarb er sich in kurzer Zeit den Ruf eines Heiligen Kriegers der Unterdrückten.
1918 hatte Gandhi seine eigene Gefolgschaft, sein eigenes Programm und seine eigenen Methoden. Er brachte die Politik zu den Menschen und die einfachen Menschen in die Politik.
Und so kam er zur Kongress Partei mit seiner eigenen Gefolgschaft und einem ihm vorauseilendem Ruf. Er verschaffte dem Kongress seine Basis in der Bevölkerung und hatte somit eine gewisse Narrenfreiheit Dinge zu tun wie sie im in den Sinn kamen ohne gross um Erlaubnis zu fragen oder sich mit den anderen Anführern abzustimmen. Gandhi hielt nur kurze Zeit wirklich ein Amt in der Partei und trat 1934 sogar ganz aus. Trotzdem war er für den Kongress eine Art Messias und hatte bis zu seinem Tod einen grossen Einfluss auf seine Politik und seine Anführer.
1920 trat er der Khalifat-Bewegung bei. Viele indische Muslime waren empört darüber, dass die Siegermächte des Ersten Weltkrieges das Osmanischer Reich aufteilen wollten und wollten es durch weltweite Proteste erhalten. Der osmanische Sultan galt unter den Muslimen als Kalif, als religiös-weltlicher Führer der Umma, der Gemeinschaft aller Muslime. Gandhi konnte persöhnlich die religiösen Gefühle der Muslime verstehen und hoffte dies dadurch starker in den Unabhängigkeitskampf der Kongress Partei einzubinden.
Das der Kongress mitmachte war Gandhi’s Chrisma und seiner moralischen Autorität zu verdanken, da er zu dieser Zeit keinen offiziellen Posten im Kongress bekleidete und viele Mitglieder am Sinn dieser Kooperation die vor allem der Wiederherstellung der Autorität des osmanischen Sultans und nicht der Vorantreibung der indischen Unabhängigkeit diente, zweifelten.
Dennoch war Gandhi überzeugt davon dass es die Pflicht aller Hindus und Muslime war, ihre gegenseiten Sorgen zu teilen und er began seine erste grosse Non-Cooperation Kampagne auf indischem Boden.
Nach anfänglichen Erfolgen artete diese jedoch in Gewalt aus und Gandhi brach die Kampagne vorzeitig ab, als im Dorf Chauri Chara ein Mob die Polizeistation anzündete und mehrere Polizisten angriff. Dadurch entfremdete er viele Muslime aber auch Kongressmitglieder, die vor allem die Erfolge sahen, die die Kampagne bis dahin gehabt hatte. Aber Gandhi konnte sich nicht damit abfinden dass seine Kampagne in Gewalt mündete und befand dass Indien noch nicht reif für die Unabhängigkeit war.
Er ging ins Gefängnis, zog sich danach eine Weile aus der Politk zurück und widmete sich sozialen Aufgaben, seinem Ashram und seinem Schreiben.
1927 erschien seine Autobiografie “The Story of My Experiements with Truth” sowie eine ganze Serie von Artikeln in seinen Zeitungen. Hier erläuterte er seine Version von einem indischen Staat in der Unabhängigkeit und seine religiösen Philisophien die vor allem von Toleranz geprägt waren und sich gegen kommunale Gewalt und die Ausgrenzung religiöser und sozialer Gruppen wandte.
1930 schliesslich startet Gandhi eine Indien-weite Satyagraha um die Unabhängigkeit durchzusetzen. Es wurde eine seiner Sternstunden und prägte seinen Ruf in- und ausserhalb Indiens. Gandhi verknüpfte den Widerstand gegen die Britische Kolonialherrschaft -für viele Inder eher eine abstrakte Idee- mit dem täglichen Bedarf des kleinen Mannes an Salz und dessen ungerechter Besteuerung. Die Briten hielten das Monopol auf Salz; niemand durfte einfach Salz gewinnen oder am Strand Salz aufsammeln und verkaufen. Gandhi gelang es perfekt, diese Absurdität, dass ein Gut welches auf naürliche Weise so grosszügig vorhanden war, der exklusive Besitz der Regierung sein sollte, für seine Bewegung zu nutzen. Er entschied sich das Salz-Monopol zu brechen und informierte den Vizekönig und die Presse von seinem Plan um möglist viel Publikum zu gewinnen. Dann zog er zu Fuss von seinem Ashram in Gujerat zur Küste, eine Strecke für die er 26 Tage benötigte. Er begann seinen Weg mit circa siebzig Gefolgsleuten und Vertrauten, am Ende waren es Tausende die sich ihm anschlossen und Millionen die tagtäglich die Neuigkeiten über die Satyagraha-Bewegung in der Presse verfolgten. Es war ein brillanter Schachzug
Schliesslich erreichte Gandhi mit seinem Zug das Meer, wo er das Salzmonopol brach und Salzkristalle aufsammelte.
Die britische Regierung begann seine Gefolgsleute festzunehmen und verhaftete heimlich bei Nacht und Nebel auch Gandhi ohne ihn jedoch vor Gericht zu stellen. Damit wollten sie verhindern dass er den Prozess nutzte um nationale und internationale Aufmerksamkeit für die koloniale Unterdrückung Indiens zu erringen.
Doch die Bewegung machte ohne Gandhi weiter und einige Wochen später kam es erneut zu einer massenhaften Ansammlung von Menschen die das Salzmonopol gemeinsam brachen. Dieses Mal tappe die Regierung in die Falle. Sie liess den Strand räumen und setzte massive Gewalt gegen die Protestierer ein. Unbewaffnete Menschen, darunter viele Frauen, wurden niedergeknüppelt vor den Augen einer empörten Weltpresse. Am Ende waren zwei Tote und hunderte Verletze zu beklagen, aber keiner der Protestierer hob eine Hand um sich zu wehren. Die Briten verloren massiv an Ansehen und Gandhi konnte in Verhandlungen einige seiner Forderungen durchsetzen und die Salzsteuer z.B. drastisch reduzieren. Seine Methode zeigte den gewünschten Erfolg und wurde später von vielen anderen Protestbewegungen kopiert.
Wie bereits beschrieben plante Gandhi einen dezentralen Staat der in viele kleine Dorfrepubliken aufgeteilt war. Die Dörfer sollten sich selbst-versorgen und verwalten. Panchayats sollten Recht sprechen und Gurus sollten die Kinder in religiösen und weltlichen Dingen unterrichten. Dieses Konzept ist als aufgeklärte Anarchie bekannt. Das Fernziel sollte eine staatsfreie Gesellschaft sein.
Das Kastensystem lehnte Gandhi ab, er wollte eine generelle Gleichberechtigung der Menschen, auch der Frauen, in der Gesellschaft. Er engagierte sich für die Rechte der Unberührbaren und der Frauen die er dazu aufrief sich seinen Kampagnen anzuschliessen.
Gandhi war Zeit seines Lebens strikt gegen die Aufspaltung Indiens in einen hinduistischen und einen muslimischen Staat oder auch nur der Gesellschaft in Hindus und Nicht-Hindus. Wie sein Engagement in der Khalifat-Bewegung zeigt, machte er keinen Unterschied zwischen den Religionen. Für ihn waren die Menschen zu allererst Indier und danach Hindus, Muslime oder Christen.
Leider kam es Ende der 1920er und in den 1930er in Indien immer öffter zu Konflikten zwischen Hindus und Muslimen. Das war auch durchaus ein Resultat der britischen Politik des “Divide and Rule”. Eine Kooperation zwischen Hindus und Muslimen gegen die Briten war für die Britische Vorherrschaft über Indien gefährlich, also spielten sie die Einen gegen die Anderen aus, förderten inter-religiöse Konflikte und stellten sich selbst als Garant für die Rechte aller Minderheiten hin.
Gandhi versuchte zunächt erfolgreich diese Konflikte zu neutralisieren, aber in den 1930er Jahren wurde der Graben zwischen Hindus und Muslimen so gross, das eine Teilung Indiens immer wahrscheinlicher wurde, da kaum noch Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten vorhanden war.
1942 rief Gandhi die Quit India Bewegung aus. Er war der Meinung dass die britische Präsenz in Indien zu eine japanischen Besetzung führen könnte, gleichzeitig waren er und die anderen indischen Führungsmitglieder verärgert darüber, dass der indische Vizekönig im Namen Indiens, Deutschland und den Achsenmächten, ohne sie auch nur zu konsultieren, den Krieg erklärt hatte.
Alle Bürger Indiens wurden zu Massenprotesten aufgerufen und sollten friedlich jede Kooperation mit der britischen Kolonialmacht verweigern. Innerhalb von Stunden wurden Gandhi und sämtliche Führungsmitglieder des Kongress inhaftiert und viele blieben ohne Gerichtsverfahren bis Kriegsende in Haft.
Es kam zu Massenprotesten aber auch zu gewaltsamen Ausschreitungen. Tausende wurden verhaftet und die Aufstände niedergeschlagen, aber die Briten mussten einsehen, dass Indien langfristig nicht zu halten sein würde.
Nach dem Krieg begannen die Briten zügig mit der schrittweisen Umsetzung der Unabhängigkeit Indiens. Die grössten Probleme waren der Schutz der muslimischen Minderheit, den die Briten immer wieder garantiert hatten, und die Eingliederung der sogenannten Princely States (de-fakto eigenständige Königreiche und Kleinstaaten innerhalb Indiens wie z.B. Kashmir, Hyderabad, Mysore oder Mewar).
Die indischen Muslime unter Jinnah beharrten nun auf einen eigenen Staat und somit der Teilung Indiens in einen muslimischen und einen hinduistischen Teil. Sie waren überzeugt davon dass sie in einen unabhängigen Indien unterdrückt und entrechtet werden würden und dass nur die Briten Garant für ihre Rechte waren.
Gandhi der eine Teilung Indiens um jeden Preis verhindern wollte, schlug vor, Jinnah und seiner Partei der Muslim Liga, die Regierungsverantwortung in einem unabhängigen Indien zu übertragen, was jedoch der Kongress und seine Anführer wie Jawaharlal Nehru (erster Premierminister Indiens ab 1947), Sardar Patel (erster Innenminister) und andere, strikt ablehnten. So zog sich Gandhi im letzten und entscheidenden Jahr der Verhandlung um die indische Unabhängigkeit aus der Politik zurück um in Städten und Dörfern die von inter-religiöser Gewalt geprägt waren, zu vermitteln. Durch die aufgeheizte Stimmung begannen nun regelrechte Progrome der Hindus gegen die Muslime und umgekehrt. Gewalt breitete sich wie ein Lauffeuer aus, geschürt von der Politik und den Gerüchten über die Teilung des Landes.
Gandhi vermochte zumindest lokal Frieden zu stiften und Menschen der verschiedenen Religionen zusammen zu bringen. Von daher war er am 14./15.August 1947 als Pakistan und Indien unabhängig wurden, auch nicht bei den Feuerlichkeiten in Delhi dabei, sondern war in Kalkutta wo immer wieder komunale Gewalt aufflackerte. Es war eine weitere Sternstunde Gandhis der hier viele Tote verhinderte und die Stadt zumindest teilweise befriedigte.
Gandhi war nun zum “Vater der Nation” geworden, politisch jedoch war er am Ende. Die zukünftige Politik wurde von Nehru und Patel bestimmt und den letzten Dienst erwies er Indien, indem er Dr. Bimrao Ambedkar, einen Dalit und Vorkämpfer der Rechte der Unberührbaren, als Justizminister empfahl. Ambedkar schaffte es die Unberührbarkeit abzuschaffen und viele soziale Reformen durchzusetzen, was letztlich auch Gandhis Wunsch war.
Gandhi versuchte nun noch durch Fasten moralischen Einfluss auf die neue Regierung auszuüben. Als Indien ausstehende Zahlungen an Pakistan zurückhielt, brachte er Nehru auf diesem Wege dazu, einzulenken. Er war zwar keine politsche Kraft mehr im neuen Indien, aber er war zumindest noch eine moralische Autorität und nutze dies um komunale Gewalt einzudämmen und den Konsens mit Pakistan durchzusetzen. Leider war es vor allem das, welches ihm den Ruf als Freund der Muslime und Verräter der Hindus einbrachte. Am 30. Januar 1948, kein halbes Jahr nach der indischen Unabhängigkeit, erschoss ihn Nathuram Godse, ein radikaler Hindu, auf dem Weg zu seinem Morgengebet, als angeblichen Feind Indiens.
Was bleibt nun von Gandhi in Indien und weltweit?
In Indien ist und bleibt er der “Vater der Nation”. Er, der wie kein anderer den Freiheitskampf Indiens geprägt hat, wird verehrt und sein Name und sein Leben sind jedem Schulkind bekannt. Viele Politiker berufen sich auf ihn und sein Lebenswerk wird nicht nur in Indien gewürdigt. Er wurde zwölfmal für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und nach seiner Ermodung 1948 wurde der Friedensnobelpreis in jenem Jahr nicht vergeben (der Preis wird nicht postum verliehen).
Viele Freiheitsbewegungen wie z.B. die Bürgerrechtsbewegung in den USA unter Martin Luther King oder auch Nelson Mandela, haben sich auf Gandi berufen und seine Taktik der Non-Kooperation und des Gewaltlosen Widerstandes übernommen.
Und dennoch bleibt von seinen Ideen in Indien heute wenig. Die meisten Inder ziehen materiellen Wohlstand der spirituellen Erleuchtung vor und wenn Gandhi die heutige indische Politik sehen könnte, würde er sich wohl im Grabe umdrehen (glücklicherweise ist er ja nach hinduistischer Tradition verbrannt worden).
Trotzdem wirkt sein Geist fort. Gandhi war ja ein Paradox. Er war nie ein Demokrat und in keinem anderen Land hätte er die Politik so mitbestimmen können wie im Britischen Indien. Er hielt nichts von Parteidisziplin und er war auch kein grosser Verhandler oder gut in klassischer Politik. Er konnte nur deshalb so prominent werden, weil die Briten die indische Politik klein hielten und somit den Boden für eine Massenbewegung bereitetet. Gandhi brachte Politik auf die Strasse und schaffte eine Massenbasis für die Idee der Unabhängigkeit von Großbritannien. Damit hat er entscheidenden Anteil daran, dass Indien dann 1947 auf friedlichem Weg unabhängig wurde. Viele Staaten sind nach ihrer Unabhängigkeit im Bürgerkrieg versunken oder wurden Diktaturen. Gandhis Einfluss verhinderte dies in Indien. Er brachte Politik zu den einfachen Menschen und nahm sie mit in seiner Bewegung. Er betrieb demokratische Grunderziehung durch seine Schriften und Reden. Er setzte das Prinzip der Gewaltlosigkeit durch. Natürlich blieben die Proteste nicht immer und überall gewaltlos, aber das wäre wohl auch sehr unwahrscheinlich gewesen. Aber generell verurteilte er Gewalt und damit wurde Gewalt auch nie zur akzeptierten Methode im Freiheitskampf oder später.
Er schrieb und schrieb. Gandhi hat einen Fundus an Büchern, Schriften und Artikeln in mehreren Sprachen hinterlassen. Gerade auch weil er zum Beispiel viel in seiner Muttersprache Gujarati schrieb und redete, hatten auch einfache Menschen Indiens Zutritt zu seinen Vorstellungen. Er konnte somit seine Ideen der Gewaltlosigkeit, der Toleranz und der Spiritualität weit verbreiten und bereitete somit den Boden für den späteren indischen Staat, der Toleranz, Religionsfreiheit und Menschenwürde in die Verfassung schrieb.
Neben seinem politischen Kampf, sagte er den sozialen Problemen und Ungerechtigkeiten der indischen Gesellschaft den Kampf an. Er war ein lebenslanger, unermüdlicher Kämpfer gegen die Unberührbarkeit, die einen Teil der Bevölkerung zu Menschen zweiter Klasse machte. Gleichzeitig setzte er sich für die Gleichberechtigung der Frauen in Indien ein. Er holte gezielt Frauen in seine Bewegung und gab ihnen den gleichen Status wie Männern. Es ist auch Gandhi zu verdanken dass Indiens zweiter Premieminister eine Frau war und das die Gleichberechtigung von Mann und Frau in die Verfassung geschrieben wurde.
Ausserdem schrieb er gegen zahlreiche soziale Probleme wie zum Beispiel die Kinderehe an. Hier sind seine Erfolge unbestreitbar und wirken sich direkt noch auf das moderne Indien aus. Indien in seiner heutigen Form wäre ohne Gandhi ein anderes Land.
Dennoch sind auch viele seiner Ideen gescheitert. Gandhi war der Auffassung dass ein Staat unnötig ist, wenn die Menschen moralisch gut sind. Seine Ideen der selbständigen Dorfrepubliken mit minimalem Zentralstaat, sind an der Realität gescheitert. Die Menschen sind nunmal materialistisch und egoistisch und ein Staat der den Frieden und die Balance halt, ist unabdingbar.
Wohlstand kommt um eine gewisse Industrialisierung nicht herum und auch moderne Bildung und Medizin sind notwendig. Der Hindusimus und seine Schriften haben für moderne Probleme keine Antwort und Spiritualität ist sicherlich nichts Schlechtes, aber nicht ausreichend um einem Land eine gute Zukunft zu garantieren, vor allem nicht im Rahmen der modernen Weltordnung.
All diese Dinge wurden von Gandhi verneint und sogar verteufelt. Er wollte zurück in die Zeit der Veden (alt-indische Schriften) und moderne –für ihn gleichgesetzt mit westlicher- Bildung, Medizin, Wirtschaft, abschaffen. Diese Radikalität ist zum Glück nicht Wirklichkeit geworden, aber noch immer gibt es Stimmen in Indien die sich gegen diese Dinge stellen und sich dabei auf Gandhi berufen. Stimmen die das Weltenheil rein in der hinduistischen Lehre sehen.
Aber so radikal wie Gandhi in seinen Ansichten durchaus war, so tolerant und offen war er in vielen Dingen eben auch und dass zeichnete ihn aus und kostete ihn am Ende auch sein Leben.
Wer mehr über Gandhi, seine Rolle in der Geschichte Indiens und seine Weltsicht erfahren möchte dem kann ich seine Autobiografie “Eine Autobiographie oder Die Geschichte meiner Experimente mit der Wahrheit” empfehlen.
Auch ein gutes Buch über Gandhi ist das Buch “Gandhi vs. Jinnah” von Roderick Matthews und “Um Mitternacht die Freiheit” von Dominque Lapierre und Larry Collins, das allgemein den indischen Freiheitskampf beschreibt.
1982 wurde Gandhis Leben von Richard Attenborough unter dem Titel “Gandhi” verfilmt. Der Film gewann acht Oskars und wurde weltbekannt. Ich gebe allerdings zu, dass ich ihn nicht gesehen habe und damit auch zur Kritik, der Film überhöhe vor allem den Mythos und übersehe damit den Menschen Gandhi, nichts sagen kann.
Ein weiterer Film mit dem Thema Indische Unabhängigkeit ist dieses Jahr in die Kinos gekommen, “Der Stern von Indien”. Ich habe dieses Film bisher noch nicht gesehen, möchte das aber unbedingt noch tun.
In jedem Fall ist Gandhi mit Sicherheit eine interessante historische Person um die man nicht herumkommt wenn man sich mit der Geschichte und auch der Gegenwart Indiens auseinander setzt und man kann in jedem Fall sagen, dass Gandhi auch eine international bedeutende Person war und sein Einfluss durchaus über Indien hinausging.
Und deshalb schliesse ich hier mit einem weiteren Zitat Gandhis:
“Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg.”