A Horse is Poetry in Motion
Unbekannt
Heute befasse ich mich mit einem schwierigen Thema. Wieviel Gewicht kann mein Pferd tragen und was ist zu viel? Obwohl es ein Thema ist, bei dem es direkt um das Wohlbefinden wenn nicht gar die Gesundheit unserer Pferde geht, wird es selten direkt angesprochen. Dabei geht es hier gar nicht darum mit dem Finger auf Andere zu zeigen, vielmehr darum Denkanstöße zu geben. Denn auch viele Pferde sind zu dick und tragen bereits viele extra Kilos mit sich herum. Wenn denn der Reiter noch zu schwer ist, dann sind Probleme langfristig vorprogrammiert.
Natürlich ist das ein Thema was immer wieder diskutiert wird und es gibt zahlreiche wissenschaftliche Studien die immer wieder neue Faustregeln und Obergrenzen festlegen. Leider kann man immer nur betonen, Pferd ist nicht gleich Pferd und so lässt sich die ganze Debatte nur auf einen Punkt bringen: Es kommt darauf an. Auf das Pferd, seine Tragfähigkeit, sein Trainingszustand und sein Körperbau. Und auch auf den Reiter, sein Können, seine Beweglichkeit und natürlich auch auf die reiterliche Belastung. Was erwarte ich von meinem Pferd? Wie reite ich es und vor allem wie halte ich es fit?
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz hat 2019 ein Merkblatt zum Thema Reitergewicht und maximale Belastbarkeit herausgegeben, dass einige Thesen gut zusammenfasst und das Thema recht umfassend beleuchtet. Wer es lesen möchte, findet den Link dazu in den Informationen.
Sicher ist mittlerweile dass eine konstante Überbelastung eines Pferdes zu einer langfristigen Schädigung führt. Um das Reitergewicht zu tragen, muss das Pferd in der Lage sein, seinen Rücken aufzuwölben und braucht dazu eine gut ausgebildete Muskulatur in Bauch und Rücken. Das heisst für uns, wir dürfen nicht nur auf das Gewicht schauen, sondern auch auf den Trainingszustand des Pferdes und seine Physis.
Um eine Richtschnur bezüglich der maximalen Gewichtsbelastung eines Pferde zu bekommen, gibt es verschiedene Formeln und Prozentangaben. Alle diese Formeln haben jedoch den großen Nachteil, dass sie sich nur auf Größe des Pferdes und das Reitergewicht beziehen.
Nur kurz zur Klarstellung, wenn ich von Reitergewicht spreche, dann meine ich das Gewicht von Reiter und Sattel, denn das Pferd trägt ja im allgemeinen beides auf seinem Rücken.
Die einfachste Formel zur Berechnung einer maximalen Gewichtsbelastung von einem Pferd ist folgende:
Widerristhöhe (in cm) – 100 + 30 = maximal Gewichtsbelastung in kg
Hier bekommen wir ein recht großzügiges Maximalgewicht. Diese Formel hat den Vorteil, dass man das Gewicht seines Pferdes nicht kennen muss, nur die Widerristhöhe, die man ja sehr einfach messen kann. Der Nachteil ist, dass sie auf Ponies und Kleinpferde nur sehr bedingt anwendbar ist, da sie von einem typischen Warmblut ausgeht.
Ebensowenig genau sind pauschale Berechnungen. Eine der ersten wurde von der amerikanischen Kavallerie aufgestellt die besagt, dass ein Pferd ca. 20% seines Eigengewichts tragen kann. Das heisst, ein 500 kg schweres Pferd kann Gewicht von 100 kg auf seinem Rücken tragen. Die Kavallerie-Pferde mussten dass, denn zu ihrem Reiter kamen oft genug noch einiges an Gepäck.
Modernere Studien gehen von einem geringeren Maximalgewicht aus, was vielleicht auch daran liegt, dass unsere heutigen Pferde nicht mehr so gut trainiert sind, wie die Kavallerie-Pferde von damals.
Eine britische Studie unter der Leitung von Dr. Sue Dyson schreckte die Reiterwelt auf, als sie verkündete, dass die maximale Gewichtsbelastung eines Pferdes, 10% seines Eigengewichts nicht überschreiten sollte. Das war ein Knall, denn 10% sind nicht viel und der Sattel ist ja auch noch auf dem Pferd. Das würde bedeuten, dass ein 500 kg schweres Pferd nur noch ein Gewicht von 50 kg tragen kann. Wenn der Sattel 6 kg wiegt, kann man es sich ja ausrechnen, wieviel am Ende dann noch der Reiter wiegen darf.
Mittlerweile gehen Wissenschaftler von einer ungefähren maximalen Gewichtsbelastung eines Pferdes zwischen 15 und 20% aus, als grober Richtwert. Einflussfaktoren sind hier die Tragfähigkeit des Pferdes (Körperbau), Trainingszustand, Alter, Belastung und eventuelle körperliche Einschränkungen wie Übergewicht, etc.
Der VFD hat hierzu ein sehr gutes Merkblatt veröffentlicht, auch das verlinke ich euch in den Informationen.
Einen guten Eindruck von der Tragfähigkeit eines Pferdes, gibt der Röhrbeinbelastungsindex. Damit wird die Stabilität des Fundaments angegeben. Natürlich ist nicht nur das Fundament eines Pferdes ausschlaggebend, auch die Länge des Rückens, die Halsung und das Nacken-Rückenband spielen eine Rolle, aber zumindest ist es ein Schritt vom Groben ins Feinere.
Der Röhrbeinbelastungsindex zeigt mir, ob mein Pferd ein sogenannter “Gewichtsträger” ist oder nicht. Ich setze das Wort bewusst in Anführungszeichen, denn es wird oft inflationär und als Stempel für ganze Rassen benutzt.
Röhrbeinumfang (in cm) x 100 geteilt durch Körpergewicht in kg = Röhrbeinbelastungsindex
Je höher der Wert, desto belastbarer ist das Pferd. Werte so ab fünf deuten auf eine gute Belastbarkeit hin. Absoluter Spitzenreiter sind hier Shetland Ponies, was ja auch nicht überrascht.
Wenn ihr noch mehr zum Thema Wie viel Gewicht kann mein Pferd tragen? wissen wollt, hört mal in meine neue Podcast Episode rein.

Mehr Informationen zum Thema:
- Merkblatt der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz
- Positionspapier VFD Tragkraft von Pferden
- Artikel über die Studie von Dr. Sue Dyson auf Englisch